Ich hatte einmal ein Paar, beide hatten so gut wie nie Sex. Sie waren schon 10 Jahre zusammen. Sie schämten sich wirklich sehr. Doch es gab tausend Gründe, warum nie Raum oder Zeit für intime Begegnungen war. Die Frau war Projektmanagerin und war ständig unterwegs. Der Mann saß viel allein zu Hause herum und langweilte sich sehr. Wenn beide zueinander fanden, war sie müde und er war lustlos. So saßen sie denn eines Tages auf meiner Therapiecouch und wollten sich trennen. Wie so oft, war ich ihre letzte Chance. Sie wunderten sich, warum ich nach ihrer Kindheit fragte. „Was hat das denn damit zu tun?“ Beide wirkten unwirsch und ungeduldig. Alles sei normal gewesen. Nur hatten beide Eltern viele Ängste. „Sie waren eben sehr besorgt. Uns hätte ja was passieren können.“ Wir gruben ein wenig tiefer und fanden heraus, dass die Eltern der Eltern im Krieg Grauenvolles erlebt hatten. Die Eltern wuchsen mit realer Panik heran. Sie hatten keine freudvolle Kindheit. Auch mein sympathisches Paar kannte kaum Glück, Vergnügen oder Spaß. Sie mussten schon als Kind vernünftig sein. Lebendigkeit war den Eltern ungeheuer. So schickte ich beide auf einen Spielplatz. „Aber wir haben doch jetzt schon kaum Zeit,“ gab die Frau zu bedenken. „Was soll das denn bringen?“ mäkelte der Mann. Doch zum nächsten Treffen hatten sie es dann doch ausprobiert. „Wir haben zusammen geschaukelt und ganz doll gelacht!“ „Und geweint!“ Ergänzte die Frau. Beide hatten große Angst vor der Zeitverschwendung. „Wir könnten soviel Wichtiges verpassen.“
Nach etlichen weiteren Ausflügen in die angstvollen Kindheit begriffen er und sie, was hinter der sexuellen Apathie wirklich stand: Die Angst der Eltern hielt sie fest im Griff. Beide wagten neue Erfahrungen zu machen und fanden schließlich auch Spaß an ihren Körpern.